Aus heutiger, Dieselskandal-erschütterter Sicht scheint die Idee eines Supersportwagens mit V12-Dieselmotor absolut verrückt. Ein Jahrzehnt früher aber sahen die Dinge noch signifikant anders aus. Damals entstand die heute vergessene Studie Audi R8 V12 TDI.

Schon mit AdBlue
Audi hatte mit seinem Diesel-Renner R10 zum zweiten Mal in Le Mans triumphiert, war also aus gegebenem Anlass ziemlich euphorisch und entschied sich dazu, eine Adaption des 650 PS starken 5,5-Liter-V12-Rennmotors in einem straßenzugelassenen Supercar zu nutzen. Der Audi R8 V12 TDI Concept war geboren. Mit einem 6,0-Liter-Biturbo-V12-Diesel im Heck (dessen Verwandtschaft zu den hauseigenen V6- und V8-Dieselmotoren allerdings deutlich größer ist). Der weltweit erste Supersportwagen, dem man Diesel in den Tank kippen muss, offerierte Berge versetzende 1.000 Newtonmeter Drehmoment. Und das schon ab 1.750 Touren. Die Leistung lag bei schönen runden 500 PS. Aus heutiger Sicht fast blasphemisch: Der R8 V12 TDI hätte neben zwei Partikelfiltern auch ein AdBlue-System an Bord gehabt und die Euro-6-Norm erfüllt.

Monster-Selbstzünder mit Schaltgetriebe
Obwohl die unkonventionelle Studie durch den dicken Diesel ein gutes Stück schwerer war als der Serien-R8 mit 4,2-Liter-V8, war sie von 0-100 km/h sogar ein paar Zehntel schneller. 4,2 Sekunden sollte der R8 V12 TDI brauchen. Der V8 war mit 4,6 Sekunden angegeben. Auch bei der Höchstgeschwindigkeit wäre wohl mehr gegangen. Der V8-R8 war mit 301 km/h angegeben. Beim V12-Diesel sprach man damals von "deutlich über 300 km/h". Die Wahl des Getriebes würde heutzutage ebenfalls für reichlich Kopfschütteln sorgen. Vor zehn Jahren waren Schaltgetriebe in High-End-Sportlern allerdings noch völlig normal. Es wäre jetzt sicher – sagen wir – spannend, die 1.000 Newtonmeter per Sechsgang-Schaltbox über die engen Gassen der offenen R8-Schaltkulisse an die vier angetriebenen Räder zu schicken.

Deutlich aggressiver
Neben dem Verbau des gewaltigen Selbstzünders vollzog Audi weitere signifikante Änderungen an seinem Mittelmotorsportler. Dazu gehörten eine prägnante Lufthutze auf dem Glasdach, eine Verbreiterung der typischen R8-Sideblades sowie deutlich größere Lufteinlässe an Front und Heck, um dem Concept Car einen aggressiveren Look zu verleihen. Ein weiteres Upgrade waren die Voll-LED-Scheinwerfer, die wenig später auch im Serien-R8 debütierten.

Wenigstens der Motor durfte weiterleben
Der Audi R8 V12 TDI wurde vor ziemlich genau zehn Jahren auf der Detroit Motor Show im Januar 2008 präsentiert. Zwei Monate später gab er unter dem neuen Namen R8 TDI Le Mans sein Europa-Debüt auf dem Genfer Autosalon 2008. Nach etwa einem Jahr heftiger interner Debatten beschloss man in Ingolstadt allerdings, den Stecker zu ziehen und das Projekt zu beenden. Warum? Für ein absolutes Nischenmodell wäre der Bau des Autos einfach zu teuer gewesen. Außerdem ist nach wie vor fraglich, wie Sportwagen-Fans auf ein Supercar reagiert hätten, das kaum über 4.500 Touren dreht. Der aus heutiger Sicht so immens absurde Motor überlebte jedoch und gelangte bereits im September 2008 im Audi Q7 V12 TDI zur Serienreife. Das gut 2,7 Tonnen schwere Mega-SUV überlebte immerhin bis Mitte 2012, trotz eines Normverbrauchs von 11,3 Liter.

Anderer Ansatz
Einige Jahre später brodelte die Gerüchteküche bezüglich eines möglichen Dieselmotors (ein V8 oder V10) für die zweite R8-Generation, aber aus nachvollziehbaren Gründen kam es nie dazu. Nicht nur aufgrund der unendlichen Dieselgate-Saga wirkt die Idee eines Supersportwagens mit XXL-Dieselmotor inzwischen wie eine völlig absurde Idee aus einer längst vergangenen Zeit. Dennoch darf man nicht vergessen, dass starke Selbstzünder in sportlichen Audis auch heute noch verfügbar sind. Im SQ7 schlägt ein V8-Biturbo-Herz mit elektrischem Verdichter, das mit 435 PS und 900 Newtonmeter nahezu die gleichen Leistungswerte aufweist wie der V12-TDI anno 2008.

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