Warum wir uns an diese Studie erinnern? Nun, ein Minivan mit Lamborghini-Herz, Flügeltüren (samt Windschutzscheibe) und dem Idealbild eines 80er-Jahre-Avantgarde-Designs kommt nicht jeden Tag ums Eck. 1994 zeigte Renault mit seinem völlig absurden Espace F1 Concept – inklusive 810-PS-Formel-1-Motor im Heck –, dass Minivans nicht grundsätzlich langweilig sein müssen. Allerdings werden sich wohl nur die wenigsten daran erinnern, dass der Königsklassen-Espace nicht der erste Versuch war, einem an sich recht unemotionalen Fahrzeugsegment mehr Glanz zu verleihen. Vorhang auf für den Bertone Lamborghini Genesis, den das berühmte italienische Designhaus der Weltöffentlichkeit auf der Turiner Motor Show 1988 präsentierte. Inklusive eines 455-PS-V12 aus dem Lamborghini Countach Quattrovalvole.

Seltsame Antriebs-Kombo
Die 5,2-Liter-Maschine mit sechs (!) Weber-Vergasern saß vorne, irgendwo unter den Vordersitzen (auch so kann man sich eine Sitzheizung sparen) und trieb die Hinterräder via Dreigang-Automatik an. Im Countach 5000 QV war sie noch an ein manuelles Fünfgang-Getriebe gekoppelt. Dazu muss man wissen: 1988 gehörte Lamborghini noch zu Chrysler, es lag also irgendwie nahe (na gut, eigentlich lag es überhaupt nicht nahe), deren TorqueFlite-Getriebe mit drei Gängen zu nutzen. Was passt schließlich besser zu einem feurigen Italo-V12 als drei gemütlich-schwabbelige Gänge aus den US of A. Dank einer gähnend langen Übersetzung und einem Gewicht von gut und gerne 1.800 Kilo war der Bertone Genesis trotz seines heroischen Zwölfzylinders also nicht besonders schnell.

Platz im Überfluss
Allerdings ging es bei diesem Pionier der Minivan-Coolness um weit mehr als den Antrieb. Bertone soll mehr als 30.000 Mannstunden in das zugegebenermaßen großartig-futuristische Design investiert haben. Der Genesis hatte übermächtige Flügeltüren, die vor lauter Gewaltigkeit gleich die komplette Windschutzscheibe mit in Beschlag nahmen. Dazu gab es hintere Schiebetüren, die extrovertierten Zugang zu einer fünfsitzigen Lounge gewährten. Trotz lediglich knapp 4,50 Meter Länge und einem überschaubaren Radstand von 2,65 Meter (die Basis für den Genesis war der Lamborghini Espada), waren die Platzverhältnisse großzügig. Die recht hemmungslose Breite von exakt zwei Metern half sicher auch. Sie war auch der Optik zuträglich, denn Bertones Lambo-Van hatte beinahe einschüchternde Präsenz.

Leider ein Einzelstück
Natürlich ist auch ein 455-PS-V12-Minivan mit flamboyanten Einstiegsmöglichkeiten in erster Linie ein Minivan. Sprich: Er muss praktisch sein. Daher verfügte der Genesis über eine äußerst flexible Sitzanordnung mit elektrisch klapp- und verschiebbaren Stühlen. Die vorderen Sessel konnten darüber hinaus um 180 Grad gedreht werden, um besser mit den Passagieren im Fond kommunizieren zu können. Ob der Fahrer auch während der Fahrt schwenken konnte, ist nicht bekannt. Äußerst angetan wird er in jedem Fall gewesen sein – von den progressiven Sesseln in rotem und beigem Alcantara, von den ausfahrbaren Fußstützen oder vom TV-Gerät, das ebenfalls im Interieur zugegen war. Leider Gottes blieb der Bertone Lamborghini Genesis ein Einzelstück. Mit dem Renault Avantime gab es 14 Jahre später immerhin eine Revitalisierung seines Konzepts. Wenn auch deutlich weniger radikal und lediglich mit der Hälfte der Zylinder.

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