Das Grundproblem der Fahrwerkstechniker kennen Sie sicher, zum Beispiel aus vielen Fahrberichten: Entweder ein Auto ist komfortabel ausgelegt und man muss damit leben, dass es in der Kurve nach außen wankt. Oder die Ingenieure machen das Modell straff und werden dann kritisiert, weil es bei Bodenunebenheiten holpert und unkomfortabel wirkt. Der klassische Zielkonflikt Komfort versus Sportlichkeit lässt sich auf konventionellem Wege kaum beheben. Einen Ausweg stellen moderne Fahrwerkskomponenten dar, die zum Teil elektronisch geregelt eingreifen. In diesem Artikel geben wir einen Überblick über die interessantesten Systeme gegen ungewünschte Wank- und Nickbewegungen. Dabei konzentrieren wir uns ganz auf konventionell gefederte Autos; Luftfederungen und hydropneumatische Federungen bleiben diesmal außen vor.

Federn, Stoßdämpfer und Stabilisatoren
Eine nahe liegende Möglichkeit ist die Verstellung der Schraubenfedern, denn die sind schließlich für die Straßenlage mit verantwortlich. Häufiger jedoch wird die Dämpfkraft geregelt, mit der die Stoßdämpfer den Federschwingungen entgegenwirken und damit bestimmen, wie lange ein Fahrzeug beispielsweise nach einer Bodenwelle noch auf- und abschwingt. Für diese Systeme wird auch der Ausdruck adaptive Stoßdämpfer verwendet. Eine dritte Möglichkeit sind Systeme, die bei den Stabilisatoren eingreifen, also jenen bügelartigen Drehfeder-Elementen, die bei den meisten Fahrzeugen die Wankbewegungen verringern. Durch eine elektronische Regelung kann man die Stabilisatoren flexibler einsetzen.

ABC: Geregelte Federverstellung
Eine Regelung der Federn bewirkt die Active Body Control (ABC) von Mercedes. Dabei handelt es sich um ein elektronisches System, das auf Sensoren basiert. Es beruht auf so genannten Plunger-Zylindern, die an den vier Federbeinen sitzen und Hub-, Wank- und Nickbewegungen kompensieren. Je nachdem, was die elektronischen Sensoren melden, werden Steuersignale errechnet, die servohydraulische Ventile an den beiden Achsen in genau dosierte Ölströme umsetzen. Strömt das Öl in die Plunger-Zylinder, verstellen diese die Fußpunkte der Stahlfedern und machen die Feder damit weicher oder härter. Beispiel Kurvenfahrt: Die Sensoren schlagen bereits Alarm, wenn man in eine Kurve einfährt. Dann wird über den geschilderten Mechanismus auf der kurvenäußeren Seite die Federung härter eingestellt, indem die Federvorspannung erhöht wird. Das System kann dabei die Wankbewegung vorne und hinten unterschiedlich stark hemmen. Es berücksichtigt auch Geschwindigkeit sowie Beladung des Fahrzeugs. Das ABC-System ist allerdings recht aufwendig und teuer; es wird deshalb nur in der Oberklasse angeboten, unter anderem in der S-, CL- und SL-Klasse.

Der Bypass-Trick von Agility Control
Stoßdämpferregelungen gibt es von zahlreichen Herstellern. Man unterscheidet Systeme mit und ohne elektronische Regelung. Wir stellen hier einige exemplarische Systeme vor. Ganz ohne Elektronik kommt ein System aus, das – neben einer modifizierten Lenkung und Schaltung – Teil des Agility-Control-Pakets von Mercedes ist. Dabei handelt es sich um eine amplitudenabhängige Stoßdämpferregelung: Bei gemäßigter, wenig sportlicher Fahrt wird die Dämpferkraft automatisch verringert, was den Abrollkomfort verbessert. Bei dynamischer Kurvenfahrt oder schnellen Ausweichbewegungen wird dagegen die maximale Dämpfung eingestellt und das Fahrzeug so stabilisiert. Das Ganze funktioniert hydromechanisch und basiert auf einem simplen Bypass. Mercedes setzt Agility Control unter anderem in der A-, B- und C-Klasse ein. In noch etwas verfeinerter Form wird das Ganze als Advanced Agility Control bezeichnet. Dabei kann man zusätzlich noch zwischen einem Sport- und einem Komfortmodus wählen.

Audis DRC mit Diagonalverbindungen
Ebenfalls eine Stoßdämpferregelung ohne Elektronik stellt die Dynamic Ride Control (DRC) dar, die Audi im RS 6 Avant einsetzt. Während Agility Control vor allem gegen Wankbewegungen hilft, reduziert DRC auch die Nickbewegungen, das heißt zum Beispiel das Einknicken vorne beim starken Bremsen. Bei DRC sind die diagonal gegenüberliegenden Stoßdämpfer hydraulisch miteinander verbunden. Durch ein Zentralventil wird beispielsweise in der Kurve die Dämpfer­kennung so variiert, dass Bewegungen um die Längsachse – also Wankbewegungen – deutlich reduziert werden. Nach demselben Prinzip wirkt DRC Nickbewegungen, also Bewegungen um die Querachse, beim Beschleunigen oder Bremsen entgegen.

PASM: Stoßdämpferverstellung
Eine elektronische Stoßdämpfereinstellung ist das Porsche Active Suspension Management (PASM). Abhängig von Fahrweise und Fahrsituation regelt es aktiv und kontinuierlich die Dämpferkraft für jedes einzelne Rad. Sensoren erfassen dabei die Karosseriebewegungen, wie sie beim starken Beschleunigen, Bremsen oder auf unebener Fahrbahn auftreten. Signale wie Querbeschleunigung, Lenkwinkel, Bremsdruck und Motorenmoment werden ebenfalls verarbeitet. Das Steuergerät ermittelt anhand der Messwerte den aktuellen Fahrzustand und stimmt die Dämpferhärte ab. Dabei kann der Fahrer auch noch zwischen einer normalen und einer sportlichen Dämpferkennlinie wählen. Fährt man im Sportmodus über Unebenheiten, werden die Stoßdämpfer komfortabler eingestellt. Ist die Straße wieder eben, geht das PASM auf die ursprüngliche Kennlinie zurück. Das funktioniert auch umgekehrt: Wird im Normalprogramm die Fahrweise deutlich sportlicher und dynamischer, stellt das System automatisch auf eine sportbetonte Kennung um – die Dämpfung wird straffer. PASM ist in allen vier Porsche-Modellreihen optional verfügbar. Der Aufpreis liegt bei etwa 1.500 Euro. Beim Cayenne ist es nur in Kombination mit der Luftfederung erhältlich. Hier kann sogar zwischen drei Einstellungen gewählt werden: Normal, Komfort und Sport.

EDC und mehr
Auch BMW hat eine elektronische Stoßdämpferverstellung im Programm. Die Elektronische Dämpfer Control (EDC) soll gleich bleibend gute Schwingungseigenschaften bei jeder Beladung garantieren. Abhängig von der durch Sensoren festgestellten Fahrsituation wird mithilfe von Magnetventilen die Dämpferkraft stufenlos eingestellt. Nickbewegungen beim Bremsen oder Karosseriebewegungen auf Bodenwellen, bei Kurvenfahrt oder beim Beschleunigen werden merklich reduziert. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, über Tastendruck das Programm ,Sport" und damit eine straffere Dämpfung anzuwählen. Weitere Stoßdämpferegelungssysteme setzen Lancia im Thesis sowie Maserati unter anderem im Quattroporte ein. Jaguar bezeichnet sein System mit dem Kürzel CATS (Computer Active Technology Suspension). Bei Ford heißt die Stoßdämpferregelung IVDC (Interactive Vehicle Dynamic Control), bei Opel CDC (Continuous Damping Control). Bekannter als das Kürzel CDC ist das IDSPlus-Fahrwerk, das die Vernetzung von CDC mit den übrigen Fahrdynamiksystemen wie ABS, Traktionskontrolle sowie ESP bezeichnet.

Hightech-Öl: Audi Magnetic Ride
Audi bietet mit Magnetic Ride eine besondere Lösung an. Als stufenlos adaptives System passt es die Dämpfungscharakteristik innerhalb weniger Millisekunden dem Profil der Straße und der Gangart des Fahrers an. In den Stoßdämpferkolben zirkuliert dabei kein herkömmliches Öl, sondern ein so genanntes magneto-rheologisches Fluid. Dieses Wortungetüm steht für eine Flüssigkeit, die ihre Viskosität in Abhängigkeit von Magnetfeldern ändert. Das heißt, sie wird zäher oder dünnflüssiger, je nachdem ob ein Magnetfeld anliegt. Dieses Kunststück vollbringt bei Magnetic Ride ein synthetisches Kohlenwasserstoff-Öl, in dem mikroskopisch kleine magnetische Partikel von drei bis zehn Mikrometer Größe eingeschlossen sind.

Partikel legen sich quer
Durch Anlegen einer Spannung an eine Spule – den Impuls dafür liefert ein Steuergerät – entsteht ein Magnetfeld, in dem sich die Ausrichtung der Partikel ändert. Sie legen sich quer zur Strömungsrichtung des Öls und vergrößern damit die Viskosität der Flüssigkeit. So wird der Durchfluss des Öls durch die Kolbenkanäle gehemmt und das Fahrzeug rollt komfortabler ab. Bei dieser Technik ändert sich die Charakteristik der Dämpferkennlinie deutlich schneller als bei konventionellen adaptiven Dämpfern, so Audi. Über eine Taste kann der Fahrer zwischen normalem und sportlichem Modus wählen. Magnetic Ride wird unter anderem im TT und im R8 angeboten. Im TT kostet es etwa 1.200 Euro, beim R8 werden 1.700 Euro Aufpreis berechnet.

Stabi-Verstellung PDCC
Zu den aktiven Fahrwerksystemen, die das Wanken in der Kurve verringern sollen, gehört auch die Porsche Dynamic Chassis Control (PDCC). Dabei werden aber nicht die Stoßdämpfer, sondern die Stabilisatoren an der Vorder- und Hinterachse elektronisch verstellt. Diese so genannten aktiven Stabilisatoren bestehen aus einem hydraulisch betriebenen Schwenkmotor, bei dem die Motorwelle mit der einen Stabilisatorenhälfte und das Motorgehäuse mit der anderen Hälfte verbunden ist. Diese Baugruppe wandelt hydraulischen Druck in ein Torsionsmoment um, was über die Karosserieanbindung ein Stabilisierungsmoment ergibt.

Entkoppelbare Stabi-Hälften
Bei Geradeausfahrt werden die beiden Stabilisatorhälften mehr oder weniger vollständig entkoppelt. Fährt das Auto dann mit einem Rad über ein Hindernis, gibt der auf weich gestellte Stabilisator mehr nach und überträgt die Einfederbewegung nicht auf die andere Seite der Achse – Fachleute drücken das mit der Umschreibung aus, das Kopierverhalten würde verbessert. Bei Kurvenfahrt werden die Stabilisatorhälften dagegen mehr oder weniger starr verbunden, sodass die Wankbewegung im Rahmen bleibt. Neben der Seitenneigung in der Kurve bewirkt das System auch mehr Komfort bei unebener Fahrbahn und eine verbesserte Traktion im Gelände durch größere Achsverschränkung. Der Aufpreis liegt bei rund 3.200 Euro. Das System ist ausschließlich im Cayenne und nur in Verbindung mit der Luftfederung sowie PASM verfügbar.

Dynamic Drive
Was bei Porsche PDCC heißt, nennt BMW Dynamic Drive. Auch bei diesem System werden die Stabilisatoren an der Vorder- und Hinterachse elektronisch verstellt. Dynamic Drive wird unter anderem für die stärkeren 5er-Modelle angeboten. Der Aufpreis liegt bei rund 2.400 Euro. Beim 7er gibt es Dynamic Drive nur als Bestandteil von Adaptive Drive.

Stabilisatoren und Stoßdämpfer
Das Adaptive-Drive-System kombiniert die Stabilisatoren-Einstellung Dynamic Drive mit der Stoßdämpfer-Einstellung EDC. Anhand der Informationen von verschiedenen Fahrsensoren werden bei diesem System also sowohl die Schwenkmotoren an den Stabilisatoren als auch die elektromagnetischen Ventile der Stoßdämpfer gesteuert. Ähnlich wie bei Porsches PASM kann per Tastendruck zwischen einer sportlichen und einer komfortablen Grundeinstellung gewählt werden. Adaptive Drive ist unter anderem im 760i Serie; bei den übrigen 7ern, im X5 und X6 ist es für rund 3.300 Euro Aufpreis optional verfügbar.

Bildergalerie: Gegen Wanken und Nicken