Vom Polo bis zum Passat: Alle werden mit drin sein. Es geht um den neuen Modularen Querbaukasten (MQB), mit dem VW den Automobilbau revolutionieren will. Die Marken übergreifende Standardisierung soll die VW-Produktion schneller, billiger und flexibler machen und sich am Ende in bezahlbaren und sparsameren Modellen niederschlagen. Die Flexibilität des Baukastens wird auch von den Volkswagen-Designern begrüßt – das auf der Auto Show in Tokio 2011 vorgestellte Cross Coupé ist eine erste Studie, die aufgrund des MQB möglich wurde. Aber der Reihe nach.

Von der Plattform zum Baukasten
Die Standardisierung von Bauteilen hat die Produktion schon immer einfacher und günstiger gemacht. Das ging im Jahr 1918 mit der DIN 1 für Kegelstifte los. DIN stand damals für Deutsche Industrie-Norm, heute wird der Begriff als Abkürzung für ,Deutsches Institut für Normung" verwendet. Im Fahrzeugbau kommen unzählige genormte Teile zum Einsatz – aber eben auch viele modellspezifische Konstruktionen. Dies macht den Herstellungsprozess langsamer, unflexibel und teuer. Durch eine Plattformstrategie etablierten die Fahrzeughersteller in den letzen Jahrzehnten bereits ein bisschen Standardisierung in ganzen Baugruppen: Auf eine Plattform wird ein so genannter Hut aufgesetzt – und dieser Hut ist nichts anderes als eine von mehreren verschiedenen Karosserie-Typen. VW geht jetzt einen entscheidenden Schritt weiter: Nicht nur die Plattform, sondern beispielsweise auch der Antrieb, das Infotainment und die Produktion sollen standardisiert werden.

Erste Schritte beim Audi A6
Laut VW-Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg wurden die ersten Schritte hinsichtlich eines Baukastensystem bereits 1997 gemacht, als es darum ging, aus dem Audi A4 den größeren Audi A6 zu machen. Audi fing damals schon mit dem Modularen Längsbaukasten (MLB) an – der MQB ist für Fahrzeuge mit quer eingebauten Motoren gedacht, der Längsbaukasten für Wagen mit längs eingebauten Triebwerken.

Marke muss erkennbar bleiben
Der MQB zieht den Modularen Produktionsbaukasten (MPB) nach sich. Dies heißt, dass in Zukunft viele VW-Fabriken weltweit aussehen, als wären sie einer früheren Version des Computerspiels Sim City entsprungen: nämlich gleich. Damit lassen sich in einer Produktionsstätte gemachte Erfahrungen auf alle anderen Fabriken übertragen. Und: Der flexible Querbaukasten ermöglicht im Zusammenspiel mit dem Produktionsbaukasten die Fertigung von verschiedenen Modellen verschiedener Marken auf einer Linie. Die Konstruktion der Fahrzeuge und der Aufbau der Werkzeuge wird von Anfang an darauf ausgelegt. Dabei betonen aber besonders die Designer, dass mit der Standardisierung auf keinen Fall das Design gemeint ist. Sämtliche Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine müssen markentypisch bleiben.

Design optimierbar
VW-Designchef Klaus Bischoff nimmt das kompakte SUV Tiguan als Beispiel dafür, was hinsichtlich des Designs mit dem MQB möglich ist. So ist die Position der Hinterachse verschiebbar – ein Designer nutzt dies gerne, um den Radstand zu vergrößern. Durch eine neue Anordnung von Bauteilen unter dem Blech sind jetzt auch größere Radhäuser und somit größere Reifen möglich. Zudem wird das am Heck nun wie bei einem Coupé auslaufende Dach ein wenig abgesenkt. Für einen stämmigeren Auftritt wird der Wagen breiter. Am Ende steht dynamisch und schnittig die oben bereits erwähnte Studie Cross Coupé vor uns.

Es geht los
Das erste Fahrzeug, das vollständig den Anforderungen des MQB genügt, wird die dritte Generation des Audi A3 sein, die auf dem Autosalon in Genf (8. bis 18. März 2012) Premiere feiert. Dann folgt, ebenfalls 2012, die siebte Generation des Golf. Später sind der Skoda Octavia und der Seat Leon dran. Bis 2018 werden 40 Modelle in den Modularen Querbaukasten passen. Und auch wenn die Baukasten-Palette nur die Pkws von Polo bis Passat umfassen wird: Der neue Up, der zur so genannten New Small Family gehört, profitiert in weiten Bereichen ebenfalls von dem Standardisierungssystem – womit auch Mehrfachentwicklungen verhindert werden. Deutlich vereinfacht wird zum Beispiel der Motoreneinbau und die Konstruktion der Triebwerksperipherie: Alle Diesel- und Otto-Aggregate werden in einer Neigung von zwölf Grad nach hinten montiert. Die kalte Seite (Ansaugtrakt) ist in Fahrtrichtung gesehen immer vorne und die heiße Seite (Abgasstrang) liegt immer hinten. Der Abstand zwischen Vorderachse und Pedalerie ist übrigens einer der wenigen festgesetzten Werte: Hier findet immer das Abgasreinigungssystem Platz, was keine großen Veränderungen zulässt.

Leichtbau, Motoren, Sicherheit
Die Baukasten-Modularität setzt sich bis in jeden Bereich des Automobilbaus fort. Während VW für den MQB und Audi für den MLB verantwortlich ist, soll Porsche den Modularen Standardantriebs-Baukasten (MSB) betreuen. Dieses Projekt steckt noch in den Anfängen, einziges Modell ist bisher der Panamera. Hinsichtlich der Motoren wird es zunehmend tauschbare Technologien zwischen Otto- und Dieselmotoren geben. Die neuen Assistenzsysteme wie Spurverlassens- und Totwinkel-Warner sowie die City-Safety-Notbremse sollen als Gleichteil für alle Modellreihen verfügbar sein. ,Demokratisierung von Innovationen" nennt VW das. Und auch Leichtbauelemente lassen sich modellübergreifend verwenden. VW erwähnt hier als neueste Entwicklung Bleche, die in einem Stück mit fünf verschiedenen Dicken von 0,9 bis 1,7 Millimeter daherkommen. Tailor Rolled Blank nennt sich diese Technologie. Jedes Modell profitiert beim MQB von den Vorteilen anderer Varianten. ,Zu Anfang mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten, jetzt ist der Modulare Querbaukasten zu einem sich selbst beschleunigenden Prozess geworden. Jeder denkt ständig daran, ob seine Entwicklung zu diesem Baukasten passt", so ein sichtlich stolzer Ulrich Hackenberg.

Bildergalerie: MQB: VWs Revolution