Mlada Boleslav (Tschechien), 19. September 2017 – Ende 1989 fegte die sogenannte ,samtene Revolution" durch die damalige Tschechoslowakei. Automobiltechnisch wehte aber bereits zwei Jahre vorher ein moderner Wind: Im September 1987 stellte Skoda den brandneuen Favorit vor. Zum 30-jährigen Jubiläum blicken wir zurück auf die Geschichte des heute fast vergessenen Wagens.



Alles nach vorne, aber flott!
Alles begann im Dezember 1982, als die Regierung der CSSR den Bau eines modernen Personenwagens beschloss. Nicht ohne Hintergrund, denn die Skoda-Modelle jener Zeit basierten noch immer auf dem Heckmotor-Typ MB 1000 von 1964. Jetzt standen die Zeichen der Zeit aber auf Frontmotor und Frontantrieb. Die Vorgaben von ganz oben waren ambitioniert: Bis Mitte 1985 sollte die Entwicklung abgeschlossen sein und 1987 die Produktion starten. Immerhin musste Skoda aber nicht komplett auf einem weißen Blatt Papier anfangen, denn schon 1979 hatte man mit dem Typ 780 (der optisch Ähnlichkeiten zum Opel Kadett D aufwies) Frontantriebstechnik erprobt.

Optik aus Italien
Trotzdem: Der Zeitplan war eng, gleichzeitig sollte das neue Auto halbwegs gut aussehen. Einen idealen Partner fand man in Italien. Bei Bertone entstanden vier Karosserievarianten: Stufenheck, Coupé, Kurzheck und Kombi, von denen nur die beiden letzten realisiert wurden. Außerdem fertigte Bertone 19 Prototypen in unterschiedlichen Ausführungen. Im Zuge der Entwicklungsphase wurde der Skoda Favorit (schon 1936 gab es ein Auto mit diesem Namen) auch über der Teststrecke von Porsche in Weissach geprügelt.

Vorstellung in Brünn
Die Premiere des Skoda Favorit fand im September 1987 nicht etwa auf der IAA in Frankfurt statt. Man wählte das eigene Land und zwar die Internationale Maschinenbaumesse in Brno (Brünn). Dort stand der 3,81 Meter lange Fünftürer im Rampenlicht. Relativ nüchtern gestaltet war der Favorit vier Zentimeter kürzer als das alte Heckmotor-Modell Skoda 120. Trotzdem bot Skodas Neuer mehr Platz im Innen- und Kofferraum.

Luxus im Sozialismus
Unter der Haube gab es nichts wirklich Neues, sondern einen OHV-Vierzylinder mit 1.289 Kubikzentimeter Hubraum und 58 respektive 63 PS. Anfangs mit Vergaser, erst 1993 gab es eine Einspritzung. In der CSSR war der Skoda Favorit 136 L anfangs gut ein Drittel teurer als der auslaufende 120 L. Mindestens 84.600 Kronen mussten hingeblättert werden – bei einem durchschnittlichen Monats-Bruttolohn von 3.030 Kronen. In die Bundesrepublik kam der Favorit ab März 1989, dort allerdings zu einem besonders günstigen Preis. Und die DDR? Dort wurde der Favorit nie offiziell angeboten, was erklärt, warum sich zwischen 1990 und 1991 der Absatz in Deutschland fast verdoppelte. Ebenfalls 1990 folgte die 4,16 Meter lange Kombiausführung namens Forman.

Türöffner für VW
Heutzutage trifft man den Favorit lediglich in seiner Heimat noch in größeren Stückzahlen an. Dabei ist seine Bedeutung für Skoda nicht zu unterschätzen. Die pure Existenz des Favorit war ein Argument für Volkswagen, im Jahr 1991 den tschechischen Autobauer zu übernehmen. Kurz danach erfolgte ein erstes Facelift, 1993 folgte eine gründliche Überarbeitung. Rund eine Million Favorit wurden bis zur endgültigen Ablösung durch den Felicia im Jahr 1995 gebaut, darunter mehr als 211.000 Kombis und rund 71.000 Pick-ups. Wer noch mehr wissen will, sollte im Skoda-Werksmuseum in Mlada Boleslav vorbeischauen. In einer Sonderausstellung werden dort besondere Prototypen und Dokumente gezeigt.

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