Noch immer kommt die Elektromobilität nicht richtig in Schwung. Trotz Prämie waren in Deutschland zu Jahresbeginn 2017 nicht mehr als 34.000 reine E-Fahrzeuge zugelassen. Wie lässt sich das ändern? Robert Tönnies, Neffe von Schalke-04-Präsident Clemens Tönnies, verfolgt diesbezüglich zwei Konzepte. Eine wichtige Rolle spielt dabei der VW Käfer.

Günstiger an ein Elektroauto
Doch der Reihe nach: Anfang 2016 hat Tönnies in Bielefeld die Electrify GmbH gegründet, ein Leasingunternehmen für Elektroautos. Im Fuhrpark sind optimierte Gebrauchtwagen der Typen Mitsubishi i-MiEV, Peugeot iOn und Citroën C-Zero, aber auch der Renault Zoe mit 41-kWh-Akku. Das hält die Raten niedrig. Diese Autos werden je zur Hälfte von gewerblichen und privaten Nutzern geleast, darunter das Deutsche Rote Kreuz. 150 E-Autos umfasst die Flotte derzeit, bis Ende 2018 will man rund 300 bis 400 Fahrzeuge im Bestand haben. In Bielefeld und Stuttgart ist Electrify schon aktiv, hinzu kommen demnächst Osnabrück und Dortmund. Der Umsatz: Wohl 450.000 Euro im Jahr 2017, Robert Tönnies spricht von einer ,schwarzen Null".

VW Käfer unter Strom
Doch Tönnies trieben Fragen um: Wie sorgt man für E-Auto-Begeisterung und weckt die Emotionen der Menschen? Antwort: Mit einem Oldtimer! Dessen Eckdaten: Keine Rarität als Grundlage für den Stromumbau, aber ein Cabrio mit Alltagstauglichkeit und hohem Bekanntheitsgrad. Und so fiel die Entscheidung auf das VW Käfer Cabriolet. Vor anderthalb Jahren begann die Elektrifizierung eines 1971er-Modells, Produktionskosten rund 119.000 Euro. Neu ist übrigens die Idee von Strom-Käfern nicht: Die Firma Zelectric ist mit dieser Marktlücke in Kalifornien erfolgreich. Doch zurück zum Tönnies-VW. Der erste Retro-Käfer steht für 220 Euro am Tag beim Fünfsterne-Hotel Stanglwirt in Going bei Kitzbühel zur Miete bereit. Bis Ende 2018 soll für weitere Top-Hotels in Deutschland und im Ausland eine Serie von 25 offenen Käfern entstehen.

Doppelter Batterieboden
Die speziellen VW ,Retrokäfer" entstehen bei ,Murschel Electric Cars" in Renningen bei Stuttgart. Dort lagern auch die Ausgangsfahrzeuge, die teilweise in sehr schlechtem Zustand ankommen. Aber das macht nichts, weil es sich bei jedem Elektro-Käfer quasi um einen Neubau handelt. Wichtigstes Element sind die rund 280 Kilogramm schweren Lithium-Eisenphosphat-Batterien, die in einem doppelten Boden unter den Passagieren sitzen. Ihre Kapazität: 22 Kilowattstunden. Das reicht für maximal 150 Kilometer. Nicht viel, aber Tönnies sagt ganz klar: ,Das ist eher ein Garagenauto, das man nicht jeden Tag fährt."

Kein billiges Vergnügen
Der 100-Kilowatt-Elektromotor (gleich 136 PS), die Motorsteuerung und das Getriebe bilden eine Einheit, die hinter der Batteriekiste untergebracht ist. Hinzu kommt ein höhenverstellbares Fahrwerk. Die komplette Bodeneinheit wiegt 650 Kilogramm, hinzu kommt die 350 Kilogramm schwere Karosserie. Was tut sich noch in dem Käfer? Zu erwähnen sind die komplett neuen Kabelbäume inklusive CAN-Bus und ein Automatikgetriebe. Bedingt durch viel Handarbeit kostet jeder der Käfer 99.000 Euro, eine Zehn-Jahres-Garantie, viel Carbon und Leder im Innenraum sollen den hohen Preis kompensieren.

Neue LED-Augen
13,75 Kilowattstunden verbraucht der Retrokäfer auf 100 Kilometer. Bis zu 150 km/h wird er schnell. Wird der Wagen per Schnellladung "betankt", ist er innerhalb einer Stunde wieder voll. An einer Haushaltssteckdose dauert es sechs Stunden. Optisches Erkennungsmerkmal des Strom-VW sind der dicke Boden und neue LED-Tagfahrlichter.

Ziemlich flott unterwegs
Und wie fährt er sich? Nun, zunächst fällt die gute Verarbeitung auf. Das Platzangebot ist nicht besser oder schlechter als in einem konventionellen Käfer Cabrio. Wohl aber die Beschleunigung: Sie ist zwar nicht so aberwitzig wie in manchem Tesla, aber doch deutlich flotter als im originalen VW. Hinzu kommt die Ruhe, der typische Käfer-Klang fehlt völlig. Gewiss, viele Käfer-Fans suchen genau diese Soundkulisse. Aber die Elektrovariante ist erst einmal auch nur auf 25 Exemplare angelegt. Oldtimer-Liebhaber müssen also keine Angst haben, das ihr Hobby durch Strom in Retro-Optik unterwandert wird. In einer Sache ist übrigens der Tönnies-Käfer durchaus oldtimerlich: Beim Rangieren im Stand muss mangels Servolenkung gekurbelt werden.

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