Einst umstritten, heute ein beliebter Klassiker: Die Mercedes-Baureihe 201, besser bekannt als 190, wird 35 Jahre alt. Am 8. Dezember 1982 wurde der ,Baby-Benz" offiziell vorgestellt.

Sachlich, aber teuer
Grenzenlose Begeisterung stellte sich aber besonders bei der Mercedes-Stammkundschaft nicht ein. War man bislang noble Zutaten wie Chrom und Holz gewohnt, so kam der 4,42 Meter lange 190 nun beinahe provokant schmucklos auf den Markt. Zudem war der 190er nicht gerade günstig: Bei 25.538 Mark ging es los, fast das Doppelte des kurze Zeit später debütierenden VW Golf II.

Geburt in den frühen 1970ern
Die Vorgeschichte des W 201, wie der 190er intern hieß, begann 1973. Im Jahr der ersten Ölkrise rückt das Verbrauchsthema in den Vordergrund, zugleich verschärft der für Mercedes wichtige US-Markt die Anforderungen an den Flottenverbrauch. Letzteres führt dort unter anderem zur S-Klasse mit Diesel. In der Heimat mehren sich die Forderungen nach einem kompakten Zweitwagen von Mercedes mit dem gewohnten Niveau bei Komfort und Sicherheit. Hier greift man auf Ideen aus den frühen 1960er-Jahren zurück, als die Auto-Union noch zu Daimler-Benz gehörte und ein erstes Mercedes-Kompaktmodell namens W 118 weit gediehen war. Für Chefingenieur Hans Scherenberg ist Anfang 1974 die Sache klar: ,Es muss sich um einen typischen Mercedes-Benz handeln."

Durchbruch mit Diesel
Ein technisches Highlight der Baureihe 201 wird die sogenannte Raumlenker-Hinterachse mit fünf Lenkern pro Seite. Für das Design des späteren 190 zeichnet Bruno Sacco verantwortlich. Markant wird das hohe Heck, das dem Wagen einen sehr guten cW-Wert von 0,34 beschert. Zum Start gibt es zwei Benziner mit 90 PS (Vergaser) und 122 PS (Einspritzung). Dennoch halten sich die Käufer in den ersten Monaten des Jahres 1983 zurück, ehe Mercedes den besonders schallgedämmten 190 D mit 72 PS Leistung nachreicht. Er schafft 160 km/h Spitze und ist damit um Längen flotter als ein teurerer 200 Diesel. Nach und nach vergrößert sich die Motorenauswahl, etwa mit dem fünfzylindrigen 190 D 2.5 Turbo oder dem 190 E 2.6, dessen Reihensechszylinder quasi mit dem Schuhlöffel in den Motorraum gezwängt wird.

Ein Mann namens Senna
Der 190er wird zudem bei Mercedes zum Vorreiter bei der Vierventil-Technik. Vor seiner Präsentation im Herbst 1983 wird der 190 E 2.3-16 mit 185 PS über den Rundkurs von Nardo geprügelt. Das Ergebnis sind Langstreckenweltrekorde bis zu 50.000 Kilometer und Durchschnittsgeschwindigkeiten von fast 250 km/h. Legendär wird der 2.3-16 beim Eröffnungsrennen der Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings im Mai 1984. 20 Rennfahrer treten mit identischen Fahrzeugen an, am Ende siegt der damals noch recht unbekannte Ayrton Senna.

Biedermann und Brandstifter
Besonders im Tourenwagen-Sport ist der Mercedes 190 erfolgreich, zwischen 1988 und 1993 gibt es Werkseinsätze in der DTM. 1992 wird Klaus Ludwig Meister auf dem 190 E 2.5-16 Evolution II. Von der Limousine mit dem monströsen Heckflügel gibt es eine Kleinstauflage von rund 500 Exemplaren. Ganz anders gepolt ist der 190 E 1.8: Die Einsteigerversion mit 109 PS kommt 1990 zur rechten Zeit. Neukunden in Ostdeutschland erfüllen sich mit dem ,Eins-Achter" ihren Mercedes-Traum. Satte elf Jahre bleibt der 190 in Produktion, erst 1993 löst ihn die erste C-Klasse ab. Ob Cabriolet oder Elektroauto: Welche 190er es nicht in Serie schafften, sehen Sie in unserer Bildergalerie.

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