Herrschaften, wie die Zeit vergeht. Das streitbarste Auto des Internets und die Ikone der Generation Playstation hat nun schon acht Jahre auf dem Buckel. Gefühlt hat Nissan den GT-R jedes Jahr hier ein bisschen gepflegt und da ein bisschen gehegt, richtig revolutionär waren die Kosmetik-Maßnahmen allerdings nie. Das ändert sich nun. Der Nissan GT-R 2017 ist tatsächlich ganz schön anders. Und nein, liebe Forums-Trolle, es gibt keine neuen und noch bahnbrechenderen Beschleunigungszeiten oder Nordschleife-Rundenrekorde. Wie GT-R-Übervater Hiroshi Tamura in einer seiner legendären Ansprachen herausstellte, geht es bei diesem großen Facelift hauptsächlich um mehr Komfort, mehr Schliff, mehr Gran Turismo. Das Biest zumindest ein bisschen zähmen, wenn Sie so wollen.

Innen ein neues Auto
Am allerdeutlichsten wird das, sobald man den eigenen Leib in die komplett umdekorierte GT-R-Kanzel plumpsen lässt. Was bisher aussah wie die Fisher-Price-Edition eines Supersportwagen-Cockpits (mehr schlecht als recht von einem Dreijährigen zusammengeklöppelt), ist nun ein überraschend schöner Wohnort. Es gibt ein neues Armaturenbrett, ein neues Lenkrad sowie ein neues Acht-Zoll-Infotainmentsystem mit deutlich reduzierter Knopfzahl und spürbar besserer Bedienung. Aber keine Sorge, liebe Freaks, die rollende Playstation ist nach wie vor eine rollende Playstation. Die gefühlt 287 Grafiken mit jedem Wert, die dieses Auto auch nur irgendwie produzieren kann, sind glücklicherweise geblieben. Neu ist eine beachtlich hochwertige Anmutung mit ganzen Kuhherden an Leder überall im Innenraum (inklusive Armaturenbrett) und einer sehr nobel aussehenden Carbon-Mittelkonsole. Einzig die Sitzposition ist noch immer etwas hoch. Dafür versteht man seinen Sitznachbarn jetzt deutlich besser, denn Team GT-R hat das Auto ein gutes Stück entlärmt. Das funktioniert durch mehr Dämmung und die sogenannte ,Active Noise Cancellation". Bei höheren Geschwindigkeiten dröhnt der Motor zwar noch immer recht ordentlich, aber bei langsamerer Fahrt werden Störgeräusche gezielt ausgeblendet. Es funktioniert gut und auch der Straßenlärm dringt nicht mehr gar so hemmungslos in die Kabine.

Sanfter und leiser
Ein Riesenschritt gelang auch beim Getriebe. Die Sechsgang-Doppelkupplung prügelt einem die Gänge nicht mehr gar so um die Ohren und ist vor allem deutlich leiser geworden. All das mechanische Gerumpel und Geknacke von der Hinterachse – für das der GT-R ja auf eigentümliche Weise berühmt ist – ist weitgehend verschwunden. Letzter Baustein in Nissans Wohlfühl-Programm ist der Federungskomfort. Ja, der GT-R war zeitlebens ein eklig harter Hund. Nun ist er es nicht mehr. Zumindest nicht mehr so sehr. Nissan hat – mit irritierend viel Aufwand für ein Facelift – nämlich die Karosseriesteifigkeit erhöht. Mit Verstärkungen an den A-Säulen und der Rahmenstruktur um den Kofferraum. Mehr Steifigkeit bedeutet mehr Spielraum für die adaptiven Bilstein-Dämpfer und das merkt man auch. Im Comfort-Modus agiert der GT-R nun beinahe sänftengleich. Und selbst den R-Modus – einst ausschließlich für topfebene Rennstrecken oder unbezwingbar zähe Hintern gemacht – kann man sich nun auch mal auf einer schön gekurvten Landstraße antun, ohne gleich beim Chiropraktiker vorstellig werden zu müssen.

Schwer zu fassende Naturgewalt
Ach ja, der Motor ist schon wieder stärker geworden. Ein bisschen Getüftel an den Turbos und die variable Steuerung des Zündzeitpunkts in jedem einzelnen Zylinder (übernommen vom radikalen Bruder GT-R Nismo) steigern die Leistung des alles niedertrampelnden 3,8-Liter-Biturbo-V6 auf nunmehr 570 PS. Das sind 20 PS mehr als bisher. Klingt nach nicht viel, soll aber generell besser ansprechen und gerade im letzten Drehzahldrittel noch mehr Rambazamba machen als ohnehin schon. Ohne Modelljahrgang 2016 und 2017 direkt hintereinander in abstrus kurzer Zeit auf abstrus hohe Geschwindigkeiten geprügelt zu haben, dürfte eine Unterscheidung recht schwer fallen. Allerdings ist und bleibt diese Maschine eine schwer zu fassende Naturgewalt. Bringen Sie die Nadel auf knapp über 3.000 Touren und dann schauen Sie einfach zu, wie sich ihre Organe neu sortieren. Der 0-100-km/h-Wert bleibt bei 2,8 Sekunden und das ist auch absolut glaubwürdig. Obwohl der GT-R ein herzhafter 1.800-Kilo-Brocken ist, dürfte er die meisten Supersportwagen bei stehendem Start in Grund und Boden fahren. Und wenn es nass und die Kurven eng sind, würde ich meine Wette auch auf Team Godzilla platzieren.

Weicher und amüsanter
Der Grip aus der Kurve heraus ist beim GT-R nämlich auch nach so vielen Jahren noch immer absolut haarsträubend. Gerade wenn die Straße Wasser gesehen hat, ist der beängstigend kluge Allradantrieb zu wahrer Magie fähig. Nissan lud in die legendäre Ardennen-Achterbahn nach Spa-Francorchamps, zwischenzeitlich regnetet es wie verrückt (Spa und Regen ist in der Regel keine sehr erstrebenswerte Kombination), doch der GT-R zog stoisch und viel zu schnell seine Bahnen. Wenn es trocken ist und man das Tempo anzieht, merkt man in den engen Ecken schon auch die gute Ernährung des Großcoupés, sprich: Untersteuern kommt vor. Ansonsten ist es aber nach wie vor schwer zu glauben, wie sich so viel Auto so zackig und agil bewegen kann. Die Lenkung wurde leicht überarbeitet, braucht ein wenig Kraft, dolmetscht aber sehr fähig zwischen Asphalt und Handballen. Auch, dass das Fahrwerk nun etwas weicher ist, scheint der Kommunikation zu helfen. Man spürt sehr gut, wie das Auto sich bewegt und Kräfte aufbaut. Das ist sehr positiv, denn trotz all der immensen Traktion ist der GT-R kein prüder Spießbürger. Sein Heck rutscht durchaus mit, wenn man in der Kurve lupft oder ihn richtig früh mit richtig viel Gas aus der Ecke feuert. Und das übrigens nicht nur bei lebensgefährdenden Geschwindigkeiten. Der große Nissan hat durchaus auch auf kurvigen Landstraßen Lust, zu spielen. In Kombination mit dem irrsinnigen Tamtam, dem Turbo-Pfeifen und dem lauteren Sägen aus dem neuen Titan-Auspuff, das bei jedem einzelnen Gasstoß über alle Beteiligten hereinstürzt, ist das schon ein verflucht feines Fahrerlebnis.

Aerodynamisch aufwendig
Oh, bevor ich es vergesse. Ihnen dürfte aufgefallen sein, dass der Nissan GT-R 2017 auch von außen anders aussieht. Wie es sich für ein japanisches Sportauto von Rang gehört, hat dies natürlich ausschließlich funktionelle Gründe. Das Mehr an Leistung erfordert nämlich ein Mehr an Kühlung. Das führt zu größeren Lufteinlässen vorne. Und das führt zu schlechteren Abtriebswerten. Um diesen Malus zu kaschieren, wurde an Motorhaube, Front, Heck, Seitenschwellern und sogar an den C-Säulen gefeilt. Die Front wirkt nun noch eckiger, das Heck sieht jetzt immer aus wie beim GT-R Nismo. Mehr Abtrieb und mehr Stabilität sind die Folge, im Slalom soll der Neue zudem vier Prozent schneller sein als der Alte. Und zumindest der Meinung dieses Schreibers nach sieht das Ganze auch deutlich schärfer aus.

Begehrenswerter und teurer
Insgesamt hat Nissan den GT-R mit dem jüngsten Facelift also deutlich zivilisiert, ohne dass er bei seinen bemerkenswerten sportlichen Tugenden Einbußen hinnehmen muss. Er ist nun ein deutlich kompletteres, edleres und dadurch auch begehrenswerteres Auto geworden. Die Preise starten künftig bei 99.900 Euro für den Basis-GT-R. Das sind 3.000 Euro mehr als bisher. Die hochwertiger ausgestatteten Varianten GT-R Black Edition und GT-R Prestige liegen bei 103.450 beziehungsweise 104.650 Euro. Wer sich den brutalen, harten Hund zurückwünscht, kann in Kürze zur GT-R Track Edition mit noch steiferer Karosse, GT-R-Nismo-Fahrwerk und leichteren, breiteren Rädern greifen. Der Marktstart ist im Januar 2017.

Wertung

  • ★★★★★★★★★★
  • Der Nissan GT-R wird durch das Facelift deutlich harmonischer, leiser und wohnlicher, ohne an fahrdynamischem Potenzial einzubüßen. Auch wenn er etwas teurer geworden ist: Vergleichbares in Sachen Fahrwerte und Dynamik kostet woanders noch immer einen ganz großen Batzen mehr.

    +brutal schiebender Motor; unfassbare Traktion; tolle Chassis-Balance; spürbare Verbesserungen bei Anmutung, Bedienung und Geräuschkulisse

    - andere wirken noch immer gehobelter; hohe Sitzposition; etwas beliebiger Klang

  • Antrieb
    100%
  • Fahrwerk
    95%
  • Karosserie
    90%
  • Kosten
    95%

Bildergalerie: Geschmeidigkeit für Godzilla