Sie können beruhigt sein. Er klingt! Das wollte ich nur von vornherein geklärt haben. Es gab ja nicht wenige, die sich ernsthaft sorgten um den AMG-Klang der Zukunft. So ganz ohne Hubraum und mit dieser unsäglichen Aufladung …

Große Fußstapfen
Was war nicht alles geschrieben worden über den neuen 4,0-Liter-Front-Mittelmotor-V8? Er hat gleich zwei Lader, die noch dazu innerhalb der Zylinderbänke liegen. Im sogenannten heißen Innen-V. Der Kompaktheit und des Ansprechverhaltens wegen. Und er hat eine Trockensumpfschmierung. In dieser Kombination ist das in einem Sportwagen Neuland. Das mit dem Sumpf war aber wichtig, weil es auch bei extremer Belastung alle wichtigen Teile schmiert und die Bauhöhe des Aggregats minimiert. Ganz weit unten sitzt selbiges ohnehin. Das ist bei einem ernst zu nehmenden Sportgerät natürlich auch wichtig. Und es hat waghalsige 510 PS und 650 Newtonmeter, bei einem Normverbrauch von 9,4 Liter. Das ist aber nicht das Problem. Das Problem ist, dass der neue V8 den alten V8 ablöst. Und der war bekanntermaßen eine naturgewaltige, frei saugende Sensation. Mit Brennräumen wie Lagerhallen. Und mit dem schönsten Klang der Welt. Der neue Motor tritt also in große Fußstapfen. Und er sollte bitte gut sein, weil er in den kommenden Jahren nicht nur DEN AMG-Sportwagen zu Höchstleistungen treiben, sondern auch in vielen weiteren potenten Mercedes reüssieren muss.

Akustische Demonstration
Dass mit dem Sound wohl alles gut wird, merke ich bereits vor dem Hotel in Downtown San Francisco, in das AMG uns für die erste Testfahrt gesteckt hat. Schon im Stand wärmt das vertraute, bassige Bollern aus Affalterbach die Seele. Davor, beim Start, gab es einen V8-Aufschrei, der sich gewaschen hat. Und schon bei Schrittgeschwindigkeit zeigt Affalterbachs neues Aushängeschild eine akustische Potenz, die einen an sehr diabolische Dinge denken lässt, nicht aber an einen Turbomotor.

Immer noch ein Riesen-Auto
Ich bin glücklich, zumindest für kurze Zeit. Dann verzweifle ich an den Ausmaßen dieses Autos. In der Rushhour einer Großstadt ist das auch kein Wunder. Der GT ist zwar 90 Millimeter kürzer als sein Vorgänger, der SLS, aber er ist genauso breit. Sprich: Er ist immer noch ganz schön gewaltig. Mit einer immer noch ellenlangen Motorhaube. Die beiden Kanten, die sich von den Scheinwerfern nach hinten ziehen, helfen bei der Positionierung zumindest ein bisschen, dennoch wirkt ein Porsche 911 um einiges kompakter. Zum Glück ist das Cockpit so revolutionär flach und fließend in den Innenraum gepflanzt worden, dass man trotz Schießscharten-artiger Verglasung jede Menge von der Umwelt mitbekommt. Aber auch der Blick nach innen lohnt. Materialien, Design und Verarbeitung sind ein Traum. Und da ist eine Mittelkonsole, die aussieht, wie ein V8. Und ein kleines, unten abgeschnittenes Lenkrad, dessen Microfaser-Kranz wirklich dick, aber sehr griffig ist.

Drückt wie ein Erdbeben
Wir verlassen San Francisco und tauschen Stau gegen Wow! Die große rote Brücke, die ganzen Hügel und die Rushhour verschwinden langsam im Rückspiegel und vor mir springen immer mehr und immer begehrenswertere Kurven aus dem Boden. Höchste Zeit also, zu sehen, zu welchen Schand- und Heldentaten der AMG GT und sein von null auf entwickelter Achtzylinder bereit sind. Nun, also, um es kurz zu machen: Sie sind zu allem bereit! Schon ein paar Gasstöße reichen für ein gerüttelt Maß an Verblüffung. Der GT drückt wie ein Erdbeben. Trotz des riesigen Drehmomentbergs, der schon bei 1.750 Touren zur Gänze vor einem steht, merkt man von der Aufladung so gut wie gar nichts. Es geht einfach vorwärts und es hört nicht auf. Es mag ein bisschen was vom Charakter des alten Saugers fehlen, aber das scheint eher ein Problem für unverbesserliche Nostalgiker zu sein. Alles in allem ist der neue V8 eine echte Sensation. Mit ansatzloser, unbändiger Kraft und einer sehr anständigen Drehfreude. Es ist nicht die verspielte Drehfreude wie in einem 911 GTS, eher ein Faustschlag von einem sehr kräftigen Kerl, aber es funktioniert. Und dann der Klang: Mittlerweile habe ich auf der V8-Mittelkonsole den magischen Knopf für die Auspuff-Klappen gefunden und es röhrt wie auf einem Muscle-Car-Treffen. Dahinter steckt eine ausgefuchste Abgasstrom-Choreographie und der immense Aufwand, den die Entwickler betrieben haben, um den typischen AMG-Sound am Leben zu lassen, hat sich definitiv gelohnt. Kein Turbo-Pfeifen weit und breit, dafür großes, mächtiges Brabbeln und lustvolles Spratzen und Schießen, wenn man vom Gas wieder runtergeht.

Technisch ganz vorne
Den neuen AMG nur auf seinen brachialen Bass oder den irrwitzigen Schub zu reduzieren, wäre allerdings etwas kurz gedacht. Der Rohbau des Autos besteht zu 93 Prozent aus Aluminium, der Vorderwagen aus Magnesium. Daher zeigt die Waage annehmbare 1.570 Kilo Leergewicht. Ein Elfer wiegt knapp 100 Kilo weniger, der Turbo 30 Kilo mehr. Der ähnlich geartete Jaguar F-Type R packt sogar fast 100 Kilo drauf. Und der GT S (hier gab es nur den GT S zu fahren) ist auch technisch am Limit. Es gibt Doppelquerlenker vorne und hinten, elektronische Dämpfer, ein elektronisches Sperrdifferenzial, ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe in Transaxle-Bauweise und gegen Aufpreis extrem schlaue dynamische Motor- und Getriebelager, die sich je nach Fahrweise versteifen oder entspannen, um mehr Dynamik (weniger Bewegung des großen, schweren Motor- und Getriebe-Blocks) oder mehr Komfort zu ermöglichen. Dazu gibt es viele Knöpfe und noch viel mehr Möglichkeiten, all diese tollen Dinge zu verstellen. Im GT S hat man die Wahl zwischen gleich fünf Fahrprogrammen, die Ansprechverhalten, Schaltzeiten, Dämpfung und Co. beeinflussen. Dämpfer, Auspuffanlage und ESP-Modus lassen sich aber auch einzeln ansteuern. Man kann sich sein GT-Fahrerlebnis also schon ziemlich genau auf den eigenen Leib schneidern.

Perfekter Mix aus ,Schnell" und ,Spaß"
Die Grundzüge des GT-Charakters bleiben aber weitgehend gleich: Die Lenkung ist relativ leicht und superschnell. Das Lenkgefühl ist ein Punkt, aber ein sehr kleiner. Die Schnauze mag groß sein, aber Herr im Himmel, lenkt dieses Auto ein. Der GT fühlt sich etwas schwerer und weniger knochig an als der 911, aber er ist nichtsdestotrotz beeindruckend agil. Und irgendwie scheint er auch mehr Spaß zu haben. Keine Frage, er ist extrem fokussiert und schon im Comfort-Modus ein bisweilen eklig harter Hund und er könnte wirklich angeben mit seiner Traktion. Aber er ist justierbarer und besser mit dem Gaspedal zu steuern, als ein oft so bierernst wirkender Porsche 911, ohne dabei auch nur ansatzweise so absurd lässig mit den hinteren Gummis umzugehen, wie ein Jaguar F-Type. Es ist ein sehr guter Mix aus verflucht schnell und schön verrückt.

GT kann auch Rennstrecke
Ich bin gelinde gesagt schockiert, wie gut dieser Mercedes ist. Ob das auch für den Ritt auf abgesperrtem Asphalt gilt? Ich bin nicht sicher, wie viele GT-Käufer ihr Sternen-Coupé tatsächlich auf die Rennstrecke navigieren werden, aber Mercedes scheint sich seiner Sache sehr sicher und schickt uns auf den Laguna Seca Raceway. So gut wie jeder kennt diese uramerikanische Rennbahn von der Playstation. Und auch ihr potenzial für gewaltige Blechschäden. Das sollte heute besser nicht passieren. Für den Rundkurs steht die sogenannte Edition 1 zur Verfügung, die unter anderem ein spezielles Aero-Paket mit einem nicht sehr vorteilhaften, festen Heckspoiler beinhaltet. Der Fahrspaß-Schalter mit dem schönen Namen AMG Dynamic Select geht auf ,Race" und mein Fangnetz auf ,ESP Sport". Das Auto ist jetzt sehniger, noch härter und Motor sowie Getriebe reagieren extrem aggressiv. Das Einlenkverhalten ist gigantisch und das Differenzial einfach heroisch. Der GT gräbt sich förmlich in den Teer und man spürt richtig, wie die Elektronik an der Hinterachse malocht, damit man bestmöglich vorwärts kommt. Alles ist extrem präzise, stabil und irre ausbalanciert. Selbst beim starken Anbremsen mit Lenkeinschlag bleibt das Auto vertrauenerweckend ruhig. Wahrscheinlich sollte man mit 510 heckgetriebenen PS auf diesem Kurs in blanker Angst leben, aber da ist keine Angst. Stattdessen nur sehr frühes Gas, ein Doppelkupplungsgetriebe, das um Längen besser erscheint, als im SLS (obwohl die Ingenieure nur die Software geändert haben), sehr zähe Bremsen und hin und wieder ein bisschen Heck. Aber die schöne Sorte Heck, die sich leicht fangen lässt und die einen dastehen lässt, wie ein Held. AMG hat hier bei der Abstimmung des Sport-ESP wirklich ganze Arbeit geleistet.

Zwischen den Elfern
Am Ende kann man den Damen und Herren aus Affalterbach zu ihrem neuen Erzeugnis also nur ehrfürchtig gratulieren. Sie haben großen Respekt vor dem Markt, den sie entern, aber den dürfen sie getrost ablegen. Ich will jedoch anmerken, dass der Elfer nicht wirklich DER Konkurrent für den GT sein kann. Sie sind zu verschieden. Der Porsche ist strammer und verbissener und wohl noch ein bisschen mehr Rennstrecken-Hengst, aber schlagen Sie mich jetzt bitte nicht, wenn ich sage, dass der AMG GT S mehr Emotion freilegt, als der 911 GTS. Einem Jaguar F-Type R oder Aston Martin Vantage fährt er ohnehin um die Ohren. Und das ab März 2015 für mindestens 134.351 Euro. Das Basismodell AMG GT mit 462 PS erscheint etwas später und kostet 115.430 Euro. Die limitierte Edition 1 gibt es als Paket für 14.161 Euro, womit wir dann bei 148.512 Euro wären. Zum Vergleich: Ein Jaguar F-Type R ist ab 103.700 Euro zu haben, ein Porsche 911 GTS verlangt nach mindestens 117.549 Euro und ein Porsche Turbo steht ab 165.149 Euro in der Preisliste.

Wertung

  • ★★★★★★★★★★
  • Besser als den Mercedes-AMG GT kann man einen Sportwagen mit Frontmotor kaum bauen. Er vereint Präzision, Emotion und Alltagstauglichkeit wie kein Zweiter. Der neue Biturbo-V8 ist eine Meisterleistung und er klingt einfach überragend. Im Vergleich zum Vorgänger SLS ist das Auto wesentlich günstiger und ein ganzes Eck besser. Den AMG GT mit einem Porsche 911 Carrera zu vergleichen, ist aber schwierig. Für das oft beschworene und mit Spannung erwartete Duell sind die beiden zu verschieden. Der Porsche wirkt trotz der Qualität des Mercedes noch austrainierter, der GT dafür verspielter und hemmungsloser. Die Preisgestaltung scheint in Anbetracht des Gebotenen völlig akzeptabel.

    + brillianter V8-Motor, sensationeller Klang, extreme Fahrdynamik, sehr gute Beherrschbarkeit, gute Serienausstattung
    - auch im Comfort-Modus ruppig, schlecht nutzbarer Kofferraum

  • Antrieb
    95%
  • Fahrwerk
    100%
  • Karosserie
    90%
  • Kosten
    90%

Preisliste


AMG GT S

Grundpreis: 134.351 Euro
Modell Preis in Euro
Sondermodell Edition 1 148.512
Ausstattungen Preis in Euro
ABS Serie
ESP Serie
ASR Serie
Airbag Fahrer Serie
Airbag Beifahrer Serie
Seitenairbags vorn Serie
Kopfairbags vorn Serie
elektr. Fensterheber vorn Serie
elektr. verstellbare Außenspiegel Serie
Klimaautomatik Serie
Zentralverriegelung mit Fernbed. Serie
Automatikgetriebe Serie
Bildschirmnavigation 3.510
CD-Radio Serie
MP3 Serie
Metalliclackierung ab 1.178
Leichtmetallfelgen Serie
Sitzhöheneinstellung Serie (elektrisch)
Tempomat Serie
Lederausstattung Serie
Xenonlicht Serie
Kurvenlicht Serie
AMG Performance-Sitze 2.320
Keramikbremse 8.270
Totwinkel- und Spurhalteassistent 892
Dynamic Plus Paket 2.201

Datenblatt

Motor und Antrieb
Motorart V-Motor, Biturbo 
Zylinder
Ventile
Hubraum in ccm 3.982 
Leistung in PS 510 
Leistung in kW 375 
bei U/min 1.750-4.750 
Drehmoment in Nm 650 
Antrieb Hinterradantrieb 
Gänge
Getriebe Doppelkupplungsgetriebe 
Fahrwerk
Bremsen vorn Scheiben, innenbelüftet und gelocht 
Bremsen hinten Scheiben, innenbelüftet und gelocht 
Räder, Reifen vorn 265/35 R19 
Räder, Reifen hinten 295/35 R20 
Lenkung elektromechanische Servolenkung 
Maße und Gewichte
Länge in mm 4.546 
Breite in mm 1.939 
Höhe in mm 1.288 
Radstand in mm 2.630 
Leergewicht in kg 1.645 (inklusive Fahrer) 
Zuladung in kg 245 
Kofferraumvolumen in Liter 350 
Tankinhalt in Liter 65 
Kraftstoffart Super 
Fahrleistungen / Verbrauch
Höchstgeschwindigkeit in km/h 310 
Beschleunigung 0-100 km/h in Sekunden 3,8 
EG-Gesamtverbrauch in Liter/100 km 9,4 
EG-Verbrauch innerorts in Liter/100 km 12,5 
EG-Verbrauch außerorts in Liter/100 km 7,9 
CO2-Emission in g/km 219 
Schadstoffklasse Euro 6 


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