Die Hot-Hatch-Welle hört nicht auf zu schwappen. Und sie hat uns in den letzten Jahren massenweise Autos beschert, für die Menschen über 35 in ihrer Jugend umgehend sämtliche Familienmitglieder verkauft hätten. Kompakte Brenner mit Allrad und mehr als 350 PS, die in etwas mehr als vier Sekunden auf 100 km/h beschleunigen. Das ist heute Normalität. Unsere beiden Testkandidaten lassen es ein wenig klassischer angehen, kommen dem ursprünglichen Kompaktsportler-Bild mit Frontantrieb und Schaltgetriebe deutlich näher. Nun sind Honda Civic Type R und Peugeot 308 GTi nicht nur auf den ersten Blick unterschiedlicher als Markus Söder und Claudia Roth (bitte ordnen Sie keinen dieser Namen einem dieser Autos zu). Doch sie eint die Lust auf echten Fahrspaß. Auf das "ein bisschen anders sein". Und deswegen finden wir, sind sie mehr als nur einen Blick wert.

Und sie sind kein Golf
Ach stimmt, wir hätten da noch einen weiteren Punkt: Beide sind kein Golf (egal ob GTI oder R). Was bedeutet: Sie sind nicht der vierte bis zehnte in Ihrer Straße, der einen besitzt. Und was ebenfalls bedeutet: Sie kriegen ein vollausgestattetes Exemplar für UNTER 40.000 Euro.

308 GTi nur auf den ersten Blick teuer
Lassen Sie uns ganz kurz skizzieren, was genau Sie dafür bei Peugeot bekommen: Obwohl nur eine Farbe für seinen kompakten Leib offensichtlich nicht ausreichte, kommt der 308 GTi reichlich dezent daher. Das 2017er-Facelift brachte homöopathische Änderungen an der Front, sonst sieht der Sport-Pug aus wie vorher. Was bedeutet: Würde es die absolut riesig aussehenden 19-Zöller, die 380-Millimeter-Monster-Bremsen und die beiden Endröhrchen am Heck nicht geben, würde kein Mensch erkennen, dass hier 272 PS und 330 Newtonmeter lauern. Selbige kommen wie bisher aus einem gerade mal 1,6 Liter großen Turbo-Vierzylinder und werden über ein Torsen-Differenzial gebändigt. All das ab 35.390 Euro. Klingt üppig, allerdings sei erwähnt: Der 308-GTi-Konfigurator dürfte inzwischen an Langeweile gestorben sein, einfach weil es so gut wie nichts gibt, was dieses Auto nicht serienmäßig an Bord hat.

Civic Type R eigentlich eine Stufe drüber
Das gilt im Großen und Ganzen auch für den Honda Civic Type R, der als absolut vollausgestatteter GT für 38.950 Euro über die – ähem – Theke wandert. Lassen Sie sich von den dreieinhalbtausend Euro Mehrpreis nicht blenden, denn was die Leistungsdaten betrifft, rangiert der Civic im Prinzip eine ganze Liga über dem 308. Sein Zweiliter-Turbo bringt es auf 320 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment. Auch hier gibt es ein Sechsgang-Schaltgetriebe (ein um mehrere Welten besseres, wohlgemerkt) und eine mechanische Vorderachssperre. Allerdings macht der Type R, was echtes Schnellfahren betrifft, den deutlich größeren Aufriss. Sie sehen es ja schon an all den Spoilern, Schwellern, Flics und Flaps. Oder an den ultranerdigen Vortex-Generatoren auf dem Dach, welche die anfliegende Luft sinnvoller in Richtung Flügel leiten. Die meisten Menschen, die vor dem Jahr 2000 geboren wurden, würden sich für seinen Auftritt vermutlich fürchterlich schämen. Andere mögen vorbringen, dass kein Auto optisch näher am eigenen Tourenwagen ist. Und: Der Civic ist der einzige Kompakte, der echten Downforce erzeugt.

Fahrleistungen nahezu gleichauf
Etwas überraschend: Was die reinen Fahrleistungen betrifft, sind unsere beiden Hot Hatches viel näher beisammen, als man denken würde. Der deutlich stärkere Type R geht in 5,8 Sekunden auf 100 km/h und schafft 272 km/h Spitze, der 308 GTi braucht glatte sechs Sekunden und läuft 250 km/h. Es muss am Gewicht liegen: Der Civic wiegt sehr ordentliche 1.380 Kilo, der Peugeot aber ist mit 1.280 Kilo so dünn, dass er wohl auch auf der Pariser Fashion Week mitlaufen könnte. Klapperdürre junge Haute-Couture-Kleiderständer? Schlecht. Federleichte französische Kompaktsportler? Ausgesprochen gut. Und trotzdem macht der Honda beim ganzen Thema Vortrieb den besseren Eindruck. Bringt spürbar mehr Tamtam, spricht besser an, zieht viel besser durch, hat ganz obenraus mehr Lust.

Meisterlicher Antrieb im Honda
Das soll nicht heißen, dass die Peugeot-Maschine schlecht ist. Das genaue Gegenteil ist der Fall. Der Einssechser-Direkteinspritzer ist ein verdammt aufgewecktes Kerlchen mit sehr ordentlichem rechtem Haken (nach kleinem Turbolöchlein) und Spaß am Drehen. Etwas mehr Hubraum würde ihm trotzdem ganz gut tun. Man merkt einfach, dass er für seine durchaus überzeugende Performance grundsätzlich stramm pumpen muss. Dass der VTEC-Turbo des Civic in allen Belangen den reiferen Eindruck hinterlässt, liegt nicht nur an den 48 Mehr-PS, sondern schlicht daran, dass Honda hier ein absolutes Meisterwerk des Motorenbaus abgeliefert hat. Erwachsen, souverän und trotzdem ein verdammt wilder, lächerlich schneller Hund, der auf der Autobahn selbst einem Ford Focus RS oder einem BMW M2 eine verdammt harte Zeit bereiten würde.

Getriebe-Welten
Außerdem verfügt er über das wohl beste Sechsgang-Schaltgetriebe, das Sie derzeit in einem Serienauto finden werden. Das mittelmäßigste Sechsgang-Schaltgetriebe, das Sie derzeit in einem Serienauto finden werden, befindet sich dagegen im Peugeot. Beim Type R klackerdiklackt Ihre Hand durch die Gassen, als wäre sie Ehrengast bei einer Miniatur-Flipper-WM. Im GTi wird sie sich eher vorkommen wie in einer Großpackung Radiergummis. Bei beiden Schaltungen gleich grauenvoll: Die metallenen Knäufe, die Ihre bemitleidenswerten Finger je nach Jahreszeit grillen oder schockfrosten werden. Klang? Sucht man in beiden Angeboten weitgehend vergeblich: Der Honda macht ein bisschen undefinierten, nicht sehr schönen Lärm-Brei. Der Peugeot macht meist garnix, hat aber einen Sport-Knopf, der Ihnen über Lautsprecher akustisches Temperament vorgaukeln will. Außerdem pumpt er die Lenkung härter auf und färbt die Instrumente rot. Man kann also auch sehr gut ohne den Sport-Knopf leben.

Beide machen einen Heidenspaß
Was das Handling betrifft, liegen Welten zwischen diesen beiden Kompaktsportlern. Keine Sorge, beide machen einen Heidenspaß, nur eben auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Beim 308 GTi wirken die Kontrollen allesamt recht leicht, schnell und etwas weicher. Über das gnomenhafte Lenkrad (so richtig werde ich mich wohl nie dran gewöhnen) werfen Sie ihn sehr agil, wenn auch etwas undefiniert in die Kurve. Der Grip aus engen Ecken heraus ist dank des Torsen-Diffs erfreulich hoch. Mit seiner festen, nicht verstellbaren Dämpferkennlinie federt er noch auf der alltagstauglichen Seite von straff. Dabei wirkt er immer locker, beweglich, grazil, wenn auch nicht ganz so auf den Punkt wie der Civic. Aaaber: Eine urechte und phänomenal unterhaltsame (Un)Art französischer Kompaktsportheit hat man auch dem 308 GTi mit auf den Weg gegeben. Will sagen: Schalten Sie das ESP aus, provozieren Sie ihn ein wenig (bei Regen klappt das auch ohne Provokation) und der Peugeot wird übersteuern, dass Sie nur so mit den Ohren schlackern. Wärmende Gedanken an den glorreichen 205 GTi werden wach. Dann die Stabilitätskontrolle schnell weider einschalten. Vor allem in der Nähe von Gräben, Bäumen oder Straßen mit stabil aussehenden Laternen.

Civic nahe an der Fronttriebler-Perfektion
Den Type R werden Sie dagegen nicht so schnell zum Youtube-tauglichen Heckausbruch bewegen. Das große Drama braucht er nicht. Es reicht ihm völlig, die Konkurrenz ganz sachlich in Grund und Boden zu fahren. Ein besseres, sauberer zu kontrollierendes Fronttriebler-Verhalten kriegt derzeit einfach keiner hin. Zerren in der Lenkung? Nicht den Hauch. Untersteuern? Wo denken Sie hin? Seinen bereits großartigen Vorgänger sticht der neue Type R mit peniblem Feinschliff aus. Er ist deutlich stabiler, einfacher schnell zu fahren. Er ruht in sich, begeht dabei aber nicht den VW-typischen Fehler, jegliche Emotion, alles Aufregende an der Garderobe abzugeben. Und: Zu allem Überfluss ist er jetzt auch noch bombastisch gut gefedert. Lediglich im R+-Modus, dem krawallgisten seiner drei Fahrmodi (und im Vorgänger noch als hundsgemeiner Bandscheiben-Folterknecht verschrien), geht es etwas ruppiger zu.

Ziemlich eindeutige Sache
Sie sehen schon, wo das alles hinführt: Der Civic Type R entscheidet diesen Vergleich am Ende relativ klar für sich. Sogar bei der Interieurwertung hat er die Nase vorn. Weil er inzwischen ein sehr sauber gezeichnetes Cockpit hat. Weil er die bessere Sitzposition auf absolut anbetungswürdigen Sportstühlen hat. Und weil er hinten und im Kofferraum spürbar mehr Platz bietet. Selbst Assistenzsysteme-mäßig sieht es bei ihm richtig gut aus. Auf der Rennstrecke halt bitte nicht vergessen, den Spurhalter und den Abstandstempomaten auszuschalten. Nicht sehr reputationsfördernd, sowas. Schwächen? Das Infotainment ist nach wie vor Grütze. Hier ist der 308 besser. Ziemlich frustrierend jedoch: Die Beseitigung sämtlicher Knöpfe macht die Bedienung von Klima und Co. oft zur Glückssache. Außerdem sind die etwas zu kleinen Alcantara-Stühle etwas zu hoch montiert. Dafür massieren sie einem den harten Hot-Hatch-Alltag geschmeidig aus dem Rücken. Massage-Schalen in einem Kompaktsportler? Ja, der 308 GTi macht viele Dinge gerne ein bisschen anders. Und er macht sie größtenteils sehr gut. Sehr verspielt, sehr unterhaltsam, trotzdem extrem alltagstauglich. Ich würde ihn einem Golf GTI in jedem Fall vorziehen. Sein Problem hier ist weniger er selbst als viel mehr die bemerkenswerte Begabung des Civic Type R.

Wertung

  • ☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆
  • Der Peugeot 308 GTi wird mir zu häufig unterschätzt. Er ist ein großartiger, sehr unterhaltsamer Kompaktsportler. Trotzdem ist der Civic Type R das in allen Belangen bessere Auto. Spätpubertäre Optik hin oder her: Der Honda ist ein unglaublich reifes, irre talentiertes Hot Hatch und für mich der derzeit beste Fronttriebler auf dem Markt. Er ist der gestandene, mit allen Wassern gewaschene Kerl in diesem Vergleich. Der 308 GTi gibt eher den verspielten Filou, mit dem man grandios feiern kann, der aber nicht alles so genau nimmt. Richtige Charmebolzen sind sie beide, jeder auf seine ganz spezielle Art. Dafür muss man sie einfach mögen. Und sich ersnthaft überlegen, ob es immer etwas Deutsches sein muss. Vor allem bei diesen Preisen.

  • Honda Civic Type R
    95%
    fantastischer Turbomotor; extreme Fahrdynamik; sehr große Spreizung zwischen Komfort und Sportlichkeit; fairer Preis
    streitbare Optik; mieses Infotainment
  • Peugeot 308 GTi
    85%
    sehr schneller, sehr komfortabler, sehr fähiger Alltagssportler; unterhaltsame Übersteuerneigung
    kaum Klang; mittelmäßige Bedienung; alles ein bisschen weich und gummig


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Bild von: Fabian Grass